Sehr bedenkliche Erfolgsstory

30.06.2008 16:59

© Neue Deister-Zeitung, (mf). „Den Betroffenen bleibt das Betteln erspart"
Offizielle Eröffnung der Springer Tafel mit Feierstunde. Lampe: „Sehr bedenkliche Erfolgsstory".
Begleitet von vielen guten Wünschen und wohlgemeinten Durchhalteappellen wurde am Sonnabend offiziell die Springer Tafel eröffnet. An der Feierstunde in der Grundschule Hinter der Burg nahmen rund einhundert geladene Gäste teil, darunter zahlreiche Mitglieder des Stadtrates.

Dass es auch in Springe Bedarf an einer solchen Einrichtung gebe, lasse sich nicht mehr wegdiskutieren, machte Bürgermeister Jörg-Roger Hische in seinem Grußwort deutlich. Wenngleich die Situation nicht mit der in anderen Teilen der Welt vergleichbar sei, habe sich Armut auch in Deutschland zu einem großen Problem entwickelt.

Weil immer öfter auch erwerbstätige Menschen nicht genug Geld hätten, um über die Runden zu kommen, sei er für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, sagte der CDU-Politiker. „Auch wenn ich damit ausdrücklich meiner Parteivorsitzenden Angela Merkel widerspreche". Tafel-Vorsitzender Uwe Lampe blickte noch einmal auf die Gründungsgeschichte des Vereins zurück und erinnerte insbesondere an die schwierige Suche nach einem geeigneten Ladenlokal für die Essensausgabe. Nachdem die Tafel nun „schon einen Monat am Netz ist", habe man bereits 190 registrierte Bedarfsgemeinschaften.

„Hinter dieser Zahl verbergen sich 400 Einzelschicksale mit über 200 Kindern", verdeutlichte Lampe. Dass es gelungen sei, binnen so kurzer Zeit mit ehrenamtlichen Helfern die Versorgung einer derart großen Gruppe auf die Beine zu stellen, sei zweifellos eine Erfolgsstory, „aber eine sehr bedenkliche, die zwangsläufig betroffen macht".

„Die Tafel ist eine tolle Sache, aber sie weckt zwiespältige Gefühle", stimmte der in Springe aufgewachsene und später als Leiter des Diakonisches Werkes Hannover tätige Pastor i.R. Walter Lampe in seinem Festvortrag zu. „In einem so reichen Land wie Deutschland ist Armut ein Skandal".

Längst habe sie auch die Mittelschicht erreicht. Drei Millionen Erwerbstätige verfügten über ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze. Das Bild von Menschen, die auf öffentlichen Plätzen in Mülltonnen nach Essenresten herumwühlten, sei erschreckend und beklemmend zugleich. Armut ist mitnichten nur ein materielles Problem, meint Lampe. Die Betroffenen würden sozial ausgegrenzt. „Und Einsamkeit macht früher oder später krank."

Deshalb sei die Arbeit der Tafel sehr wichtig. Das Engagement der Helfer beweise, dass nicht mehr nur teilnahmslos zugeschaut werde. Auf der anderen werde den Betroffenen die wichtige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. „Die Betroffenen behalten ihre Würde, weil ihnen das Betteln erspart bleibt."

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